Nanu, wie bin ich denn jetzt auf diese Überschrift gekommen? Meine Kolumne sollte doch eigentlich „Advent, Advent, ein Lichtlein brennt“ heißen. Ich wollte hier doch der beginnenden Adventszeit huldigen, dieser besonderen Zeit der Gemütlichkeit, der Lebkuchen, der Weihnachtsmärkte und der Hektoliter Glühwein. Stattdessen bezieht sich meine Überschrift auf ein Getränk, dessen übermäßiger Genuß Ende des 18. Jahrhunderts mit Symptomen der Übererregbarkeit und Wahrnehmungsschwierigkeiten beschrieben wurde. Kritiker erklärten: „Absinth macht kriminell und führt zu Wahnsinn. Aus dem Mann macht Absinth ein wildes Biest, aus Frauen Verrückte und aus Kindern Debile, er ruiniert und zerstört Familien und bedroht die Zukunft des Landes.“

Doch warum schleicht sich der Absinth in mein Gehirn? Liegt meine überschriftliche Entgleisung etwa an unserem Finanzminister Wolfgang Schäuble und dessen beknackten Auftritt bei der Pressekonferenz zur Steuerschätzung? Das Verhalten des Finanzministers gegenüber seinem Sprecher war schon sehr merkwürdig. Nachdem die anwesenden Journalisten auf das Fehlen der Pressemappen hinwiesen, platzte Schäuble der sprichwörtliche Arsch. Debil grinsend, machte er seinen verantwortlichen Pressesprecher dafür völlig verzückt und in aller Öffentlichkeit runter. Kurz darauf äußerte sich der schleswigholsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki über das öffentliche Auftreten Schäubles: „Der Mann steht unter Drogen“. Und genau diese Aussage wird Absinth, Absinth, … mich unterbewußt zu meiner Überschrift getrieben haben. Das einige der regierenden Köpfe aus der Macht- und Schaltzentrale der Bundesrepublik vernebelnde Substanzen zu sich nehmen, habe ich schon immer vermutet. Wie wären sonst manche Überlegungen und Entscheidungen der Bundesregierung zu bewerten? Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke, Rente erst ab 67, Milliarden für Rettungsaktionen – bei denen der zu Rettende schon längst tot ist, etc., etc. Da hofft man als Wähler doch inständig, daß diese Beschlüsse im Drogenrausch gefaßt wurden – hat man doch so noch die Hoffnung, daß sich die Nebel in den Gehirnen der Beschlußfasser irgendwann wieder lichten.

Auch die Generaldebatte über den Haushalt 2011 im Bundestag hat wieder gezeigt, wie unterschiedlich die Wahrnehmung der Regierungskoalition zu denen der Opposition ist. Bundeskanzlerin Angela Merkel bedachte sich und die schwarzgelbe Regierung mit stinkendem Eigenlob. Sie sieht ihre Koalition auf richtigem Kurs – alles ist schick, die Wirtschaft boomt. Die SPD sprach dagegen von einem Regierungschaos ohne Ende, das Vertrauen der Wähler sei verspielt, Politik wäre gegen den Gemeinsinn, eine Spaltung der Gesellschaft. Die Linke kritisierte die letzten Wochen als „Herbst der Fehlentscheidungen“, warf der regierenden Koalition eine schändliche und verlogene Politik vor. Die Grünen bezeichneten die Regierungspolitik als zukunftsfeindlich. Der Regierung fehlen Antworten auf die anstehenden Herausforderungen in Bildungspolitik, beim Umbau der Wirtschaft, der Bekämpfung des Fachkräftemangels oder dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Das Gespür für den Anstand, für die Menschen sei verloren, die Koalition gestalte nicht, sondern diene vor allem Lobbygruppen. Nach dieser Haushaltsdebatte schiebe ich den schwarzen Absinthpeter eher der Kanzlerin und ihrem Gefolge zu. Obwohl es in der sogenannten Opposition ebensolche gibt, denen ich auch jegliche Art von … aber egal, ich schreibe jetzt über die Adventszeit. Ich huldige hiermit der beginnenden Adventszeit, dieser besonderen Zeit der Gemütlichkeit, der Lebkuchen, der Weihnachtsmärkte und der Hektoliter Glühwein. Auch den Papst Benedikt XVI. möchte ich grüßen. Da er die Benutzung von Kondomen als Verhütungsmittel gegen Aids in Betracht zieht, habe ich die Hoffnung, daß auch ewig anhaltende Wahrnehmungsstörungen irgendwann heilbar sind.