Was für eine Frechheit. Hatte sich doch ein Blumenvolk erdreistet, in Bad Saarow eine Heimat zu finden. Diese impertinenten Grünlinge suchten sich ausgerechnet den Graben aus, jenen Ort, der sich in Richtung See schlängelt. Einladend breitete er seine Erde aus und lädt ein, Wurzeln zu schlagen und Blüten zu tragen.
Wer könnte da widerstehen?
Gamandersalbei, Zinnkraut, Pimpinelle, Spitzwegerich, Löwenzahn, Vogelwicke, Wiesenflockenblume, Schafgarbe und andere Geschöpfe wagten es, ihre bunten Köpfe gen Himmel zu strecken. Bienen, Hummeln, Grashüpfer und anderes Volk kamen aus dem ganzen Land herbei um sich an der Schönheit und dem Nektar zu laben. Es war ein Summen und Locken, ein Kichern und Freuen, dass einem das Herz aufging. Wow, vor Staunen stand so mancher Mund offen und die Handys hatten kaum Zeit, sich vom vielen Fotografieren zu erholen. Da standen sie nun, diese Menschen, am Rande des Grabens und trauten ihren Augen kaum. Bunt war es im Graben, und die Blumen strahlten in die Welt als gälte es, einen Preis zu gewinnen.
Mensch sah es ihnen an: Sie hatten den schönsten Platzt ihres Daseins entdeckt. Freudig lachten die Menschen angesichts dieser Pracht und frohen Herzens verließen sie diesen Ort. Doch es sollte die Freude nicht lange währen. Dunkelheit zog auf am Horizont menschlichen Tuns. In düsterer Vorahnung ließen die Blumen ihre Köpfe hängen, Bienen und andere Bewohner verließen fluchtartig das Terrain, wie Ratten das sinkende Schiff.
Ja, ja, ich höre sie die Stimmen, die lauthals verkünden: Es muss doch alles seine Ordnung haben. Da können doch nicht einfach Pflanzen daherkommen und es sich gemütlich machen in Bad Saarow. Wo kämen wir denn hin, wenn das jeder so machte? Zwar hatte es sich unter den Blumen herumgesprochen, dass in Bad Saarow nicht gut Kirschen essen sei mit jenen, in deren Hände die Gemeinde das Wohl und Wehe des Kurparkes und damit auch des Grabens gelegt hatte. Aber die Blumen wollten ja nicht hören. Sie meinten, dass ihre Schönheit sie wohl schützen würde. Nun: „Wer nicht hören will, muss fühlen“. Bereits einiges Knabenkraut, Schlüsselblumen und andere Gefährten, die an der kleinen Brücke am See lebten, hatten aufgeschrien, als die Maschinen sie köpften. Nur wenige ihres Volkes hatten überlebt. Der Schmerz ist bis heute spürbar. Doch die Blumen des Grabens wähnten sich in Sicherheit. Schließlich erfreute dieser Ort der Menschen Augen und Sinn. Warum also sollte es ihnen an den Kragen gehen? Sie hatten doch keinem etwas getan. Weit gefehlt. Bekanntermaßen gibt es jene, die über Leben und Tod entscheiden. Mit Macht und ohne Empathie gehen sie vor gegen das Lebendige.
Warum? Fragt nicht mich. Fragt jene, welche vernichten, was lebendig ist. In diesem Falle dachte sich der Zuständige wohl: So nicht! Das geht zu weit. Diese Buntheit und dieses Leben ist ja unerträglich. Das erlaube ich nicht. Schwuppdiwupp erließ der Vorsteher einen Befehl. Und dann kamen sie, die Befohlenen, die Maschinen im Anschlag. Ziel der Operation war es, den Blumen und der Schönheit den Garaus zu machen. In Windeseile wurden Maschinen angeworfen, und mit tösendem Lärm fraßen sie sich durch die schreienden Blumen. Natürlich, nein natürlich ist das nicht! Es fanden auch viele kleine Lebewesen ihr Ende im Bauch des Rassenmähers. Aber wen schert‘s? Sind doch nur Pflanzen oder so.
Innerhalb weniger Stunden hatte sich ein lebendiger Raum in totes Land verwandelt. Dort wo noch vor kurzem blumige Pracht ins Land strahlte, gab es jetzt nur noch tote, verbrannte Erde.
Was für ein grausames Trauerspiel!
Ein Wildgarten, eine Bienenweide. So etwas konnte nicht geduldet, geschweige denn unterstützt werden. „Na, nun ist ja gut“, flüstert das Mündchen ins Öhrchen. „Schließlich muss ja alles seine Ordnung haben“. Tja, alles ist eine Frage der Sicht. Wem gefällt es und wen stört es. Und wenn es wen stört, und seien es auch nur einer oder zwei, dann muss es eben weg dieses Naturzeugs.
„Leben und leben lassen“ ist hier nicht erwünscht. Und so wurde der „Kleine Kräutergarten mit Bienenweide“ kurzerhand vernichtet. Ich muss gestehen, ich verstehe nicht, ich verstehe einfach nicht, was an Bienen, bunten Blumen und Lebendigkeit falsch sein könnte. Es schmerzt mich zu erleben, wie Menschen Schönheit ohne Gnade dahinmetzeln, sich zum Herren erheben über das Leben der Wiese, statt die Natur zu hüten. Es ist ein würdeloses Tun, das einzig verbrannte Erde und totgemähte Wiesen hervorbringt. Derartiges Handeln schreit gen Himmel! Nun, ich weiß, dass diese Welt sich ändern wird. Mutter Erde wird uns lehren, was die Menschen vergessen haben: „Nicht die Natur braucht den Menschen. Der Mensch braucht die Natur.“
Da beißt die Maus keinen Faden ab. Schon Albert Einstein soll 1949 gewarnt haben: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.“
Wohl dem, der der Natur den Raum gibt, der ihr gebührt, zur Freude der Bienen und allem, was kreucht und fleucht. Die leuchtenden Augen der Kinder und jener großen Menschen, die sich ihre Lebendigkeit bewahrt haben, werden Dank sein für jede Wiese, jede Blume, jedes Wesen, das sein darf und diese Welt beseelt.
Eine Randbemerkung sei mir noch gestattet: Es gibt immer mehr Dörfer und Städte, die Wildwiesen und natürliche Räume fördern, die Menschen die Chance geben, Schönheit zu erschaffen und im Einklang mit der Natur zu sein. Bad Saarow jedoch gehört nicht zu diesen Orten.
Ilona Si Moussa, Bad Saarow
Blumen und Bienen in Bad Saarow unerwünscht!
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