von Jan Knaupp
Ich will nicht schon wieder meckern, aber ich bin eben auch nicht anders als die meisten von uns. Wenn mir etwas nicht passt, muss es gesagt werden (oder eben geschrieben). Mir gehen zur Zeit diese Diskussionen um das Hissen der Regenbogenfahne auf dem Reichstag ganz schön auf den Wecker. Der Regenbogen – ursprünglich als Zeichen für Hoffnung (biblische Geschichte der Sintflut) und Frieden (PACE-Flagge) sorgt fast nur noch in Verbindung mit der queeren Community für Aufmerksamkeit. Die sogenannte LGBTQ+-Bewegung (lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, queer…) beansprucht dieses Farbspektrum mittlerweile exklusiv als Erkennungszeichen für sich und ihre Lebensweisen. Gern schmücken sich auch politische Amtsträger, Behörden, Organisationen und Initiativen mit dem bunten Kampfwimpel. Der Regenbogen als Bestätigung für Toleranz und Offenheit.
Als Zeichen der Verbundenheit und Solidarität mit der LGBTQ+-Identität hängt der Regenbogenstoff auch immer öfter an Rathäusern, Landratsämtern und anderen öffentlichen Gebäuden. Umso heftiger werden Kritik und Unmut dann von den Verfechtern dieser Flagge geäußert, wenn jemand dieser Fahne nicht dieselbe Bedeutung beimisst, wie die Aktivisten selbst. Das musste jedenfalls die Präsidentin des deutschen Bundestages, Julia Klöckner, erfahren, als sie das Hissen der Regenbogenfahne zum Christopher Street Day auf dem Berliner Reichstag untersagte. Klöckners Begründung der politischen Neutralitätspflicht des Bundestages stieß besonders auf linksgrüne Ablehnung. Ihre Aussage: „Wir sind der Deutsche Bundestag und bei uns weht eine Fahne: Schwarz-Rot-Gold. Sie repräsentiert alles, wofür unser Grundgesetz steht: Freiheit, Menschenwürde – und eben auch das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Keine Fahne steht über ihr.“ konnte die überaus empörten Regenbogenkrieger nicht beschwichtigen. Ihrer heiligen Fahne wurde das Wehen auf dem Reichstag verwehrt – sofort wurden Protestaktionen und Petitionsaufrufe organisiert. Manche Gegner von Klöckners Entscheidung vergaßen in ihrem Zorn sogar, dass sie sonst eigentlich öffentlich und medienwirksam gegen Hass und Hetze ankämpfen. Aber wenn es gegen politische Gegner oder eben unliebsame Entscheidungen geht, scheint der Zweck die Mittel zu heiligen. Wenn es aus der selbstgerechten politisch korrekten Ecke kommt, dann sind Beleidigungen und Verunglimpfungen plötzlich legitim.
Ich will nicht schon wieder meckern, aber mir geht unsere Diskussionskultur gegen den Strich. Obwohl, als wirkliche Diskussionen kann man das allgegenwärtige Niederbrüllen des Andersdenkenden ja nicht bezeichnen. Getreu dem Zitat von Bernhard von Bülow: „Und willst Du nicht mein Bruder sein, so schlag ich Dir den Schädel ein!“ wird kein vernünftiger Austausch von Meinungen und Argumenten zugelassen. Es scheint auch nur noch zwei Meinungen zu geben – die gute und die böse, die linke und die rechte. Es scheint nur noch Antifaschisten und Nazis zu geben. Der Andersdenkende liegt generell immer falsch. So falsch, dass wir ihn nicht mehr ausreden lassen, dass wir seine Argumentationen von vornherein als dämlich, abstrus oder gar als gefährlich abtun. Statt Diskussionskultur wird beschimpft, verunglimpft und niedergeschrien, kein politisches Lager traut der Gegenseite auch nur ein Quäntchen Verstand zu. Meinungsfreiheit scheint nur für die eigene Meinung zu gelten, für unbequeme Meinungen sollte diese Freiheit abgeschafft werden. Manche meinen, sie hätten das Toleranz- und Demokratieverständnis ausschließlich für sich gepachtet und beargwöhnen jegliche Abweichungen vom eigenen Weltbild.
In vielen Familien und Freundschaften wird es mittlerweile schon vermieden, politische Themen anzusprechen, da eventuelle Meinungsverschiedenheiten in einem zwischenmenschlichen Fiasko enden könnten. Wir haben verlernt, miteinander zu reden, zuzuhören und andere Blickwinkel zuzulassen.
Noch mal kurz zurück zur Regenbogenfahnendebatte. Verstehen Sie mich nicht falsch, von mir aus kann jeder lieben und leben wie er will. Es sollte bloß nicht zu einem immer wiederkehrenden Dauerthema werden, welches in Wiederholschleife abgespielt wird. Wissen Sie, was ich meine? Von mir aus kann sich auch jeder der möchte, ein Glöckchen um den Hals hängen. Man sollte bloß darauf achten, dass man anderen Menschen nicht mit dem andauernden Gebimmel auf die Nerven geht.
Ich will ja nicht meckern, aber ich muss!
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