In der letzten Woche rauschte es gewaltig im medialen Blätterwald. Eine spektakuläre Nachricht wurde von der nächsten ultraspektakulären Nachricht überholt, wobei eine ultrahyperspektakuläre Nachricht wiederum diese dann ausbremste. Für mich gab es bei dieser Nachrichtenrallye zwei Gewinner. Zwei starke Frauen standen ganz oben auf dem goldenen Pressepodest.
1. Die Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat die Katholische Kirche erzürnt, indem sie öffentlich äußerte, daß die Kirche in Mißbrauchsfällen nicht genug mit der Strafverfolgung zusammenarbeite. Diese Aussage wurde von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken auf das Schärfste verurteilt. Jetzt soll sich die Bundesjustizministerin öffentlich bei der Katholischen Kirche entschuldigen.
Liebe Sabine – entschuldige dich nicht! Mittlerweile sind über einhundertfünfzig sexuelle Übergriffe in Deutschland von katholischen Herdenführern auf ihre anvertrauten Schäfchen bekannt. Der sexuelle Missbrauch durch Geistliche ist erwiesen, die Tatorte sind katholische Schulen, katholische Heime, Anstalten und Werkstätten.
Der letzte bekannt gewordene Fall ereignete sich 2005 im erzkonservativen Bayern. Und er ist immer noch nicht geklärt. Die Opfer werden ausgegrenzt, im Stich gelassen – die Scham und die Angst wird benutzt, um den Deckmantel des Schweigens über Geschehenes auszubreiten. Die Kirche will diese Art von perverser Nächstenliebe durch ihre Pfaffen nicht nach außen bringen. Von internen Klärungen und Konsequenzen ist die Rede — wer es glaubt, wird selig. Oder auch nicht!
Es scheint für die katholischen Oberhäupter als Kavaliersdelikt zu gelten, wenn mal wieder ein Pfarrer oder Priester einem kindlichen Ministranten in die Hose faßt. Tausende Kinderpornofotos auf den Seminarcomputer eines Priesterseminar wurden 2004 als dummer Jungenstreich abgetan. Also – kein Grund zur Besorgnis, liebe Schäfchen.
Die Kirche hat ihre Priester immer als Hüter christlicher Sittlichkeit bezeichnet – wenn die Umstände nicht so traurig wären, könnte man über soviel Blindheit und Engstirnigkeit lachen. Aber die Katholische Kirche hat sich eben nie wirklich um eine grundlegende Erneuerung bemüht. Das Zölibat und die rigide Sexualmoral, die gerade auch in der dritten Welt für HIV-kranke und verhungernde Kinder mitverantwortlich ist, zeigt es deutlich: So alt und verknöchert wie die katholischen Würdenträger sind, so alt und verknöchert ist auch die ganze Katholische Kirche.
2. Sie haben es sicher geahnt, als zweiter Sieger ging bei mir die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischöfin Margot Käßmann durchs Ziel. Käßmann wurde Oktober 2009 als erste Frau in das höchste Amt der evangelischen Kirche in Deutschland gewählt. Eine streitbare Theologin, die z.B. mit ihren Äußerungen zum Krieg in Afghanistan für eine innenpolitische Debatte sorgte.
Mittlerweile sorgt man sich um sie. Nachdem sie letzten Samstag über eine rote Ampel ballerte, wurde sie am Steuer ihres Dienstwagens in Hannover von der Polizei gestoppt – 1,54 Promille Alkohol im Blut – tüchtig Durst gehabt, die Dame. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen die Bischöfin eingeleitet, also rechtlich wird sie wohl erst einmal hier auf Erden abgeurteilt.
Nun könnte man sich sicherlich lustig machen, über Prediger, die dem gläubigen Volke vermitteln „Gott will, dass wir allzeit nüchtern und mäßig leben“, die dann aber im Vollsuff über die Straßen schießen. Stellen Sie sich doch mal vor, Sie hätten einen Chef der aus Wasser Wein machen könnte die Versuchung wäre groß, wir sind doch alle kleine Sünderlein. Aber bitte nicht im Straßenverkehr.
Und jetzt kommt aber erst der eigentliche Punkt, der mir wichtig ist. Ich bringe der Bischöfin Respekt entgegen. Sie hat gegen ihre eigenen glaubens- und lebensbestimmenden Regeln verstoßen, sie hat den Fehler eingestanden – und sie ist, als logischen Schritt, von ihrem Amt zurückgetreten. Hut ab, Margot. Diese Art von Konsequenz ist moralisch und menschlich auf‘s höchste einzuschätzen. Diese Art von Konsequenz zeigt Mut und vermittelt Glaubwürdigkeit.
Leider ist diese Art von moralischer Konsequenz, gerade in einigen politischen Führungsebenen, nicht weit verbreitet. Frei nach dem Motto „Vom Volksverräter zum Volksvertreter“ bekleiden ehemalige Stasispitzel immer noch öffentliche Ämter.
Na, hallelujah!