Heute kommt hier meine Sommerlochkolumne. Im Gegensatz zu manch anderen Sommerthemen in größeren Gazetten ist meine Geschichte aber wahr. Also beginnen wir.
Es war einmal… Nee, der Anfang hört sich zu sehr nach Märchen an. Nochmal von vorn. Wie Sie ja wissen, es sind Ferien. Ferien nennt man die Zeit, in der schulpflichtige Kinder sich nicht in der Schule quälen müssen, wohingegen sie aber jetzt die Zeit nutzen, ihre Erzeuger zu quälen.
Nee, so negativ kann man eine Kolumne auch nicht beginnen. Jetzt mein letzter Versuch, wenn es nicht klappt, müssen Sie sich eben mit den bisherigen Zeilen begnügen.
Also, es sind Ferien. Und wenn unsere lieben Kleinen nicht gerade im Ferienlager, in der Sommerfrische oder mit den Großeltern im Urlaub weilen, so müssen die Eltern für ein hohes Maß an Bespaßung der Kinder sorgen. Nichts ist für ein Kind so deprimierend wie Langeweile. Da auch ich seit fast zehn Jahren staatlich anerkannter und kinderspaßgeprüfter Vater bin, habe ich mich über die Jahre in Sachen Jux, Quatsch und Dallerei qualifizieren können. Mit unserem Sohn, der auch keinen Nervenkitzel ausläßt, gehören wir in der Saarower Notaufnahme mittlerweile fast schon zum Inventar. Aber davon vielleicht ein andermal.
Heute möchte ich Ihnen von einem Angelausflug erzählen, der wohl noch einige Zeit in unserer Erinnerung bleiben wird. Am Montag vor vierzehn Tagen packten wir Zwei unsere sieben Sachen, und ab ging es gegen Abend an den Ahrensdorfer See. Dort angekommen, errichteten wir unser Lager, beköderten die Ruten und machten es uns auf den mitgebrachten Sitzelementen gemütlich. Das heißt, ich wollte es mir gemütlich machen, aber mein Sohn hatte da seine eigenen Vorstellungen. Mit zwei Millionen Hummeln im Gesäß, schlich er mit seiner Angelrute bewaffnet durch das Unterholz – mal nach rechts, mal nach links, dann wieder um mich herum. Als nach fünfzehn Minuten immer noch nicht der erhoffte Fang im Kescher zappelte, wurde es „mordsmäßig“ langweilig. Obwohl wir vor Abfahrt noch ausgiebig gegessen hatten, stellte sich jetzt bei ihm ein unstillbares Hungergefühl ein. Langeweile macht wohl hungrig. Da aber nun Fischköder für Anglermägen eher unattraktiv sind, war das Angeln jetzt nicht nur mordsmäßig langweilig, es stieg bei ihm auch die Befürchtung, in der freien Natur einen Hungertod sterben zu müssen.
In Zeiten des Mobiltelefons konnte hier aber Abhilfe geschaffen werden. Ein Anruf beim „Menüservice Mama“ und die Situation war gerettet. Angeln war zwar immer noch langweilig, aber der Magen war gefüllt. Nachdem der Menüservice die wassernahe Domäne wieder verlassen hatte, hätte man sich nun gezielt auf die fischbringende Angelei konzentrieren können. Wäre da nicht die blöde Pose meines Sohnes gewesen, die sich oben im Geäst des nebenstehenden Baumes verfing. Jetzt war das Angeln zwar nicht mehr ganz so langweilig, aber ein Fangerfolg in drei Metern Höhe ist relativ unwahrscheinlich.
Um dieses Männerabenteuer zu komplettieren, färbte sich der Himmel rabenschwarz, und zwei Minuten später ergoß sich von oben eine Sinflut über uns. Für meinen Sohn hatte ich die geeignete Regenbekleidung dabei, meine allerdings hing trocken zu Hause im Schrank. Egal, was schadet es schon, wenn man von oben naß wird. Die Hauptsache ist doch, man bleibt untenrum trocken und es ist nicht mehr langweilig. Während es nun also von oben schüttete und ich unten an der Baumangel zerrte – schrie plötzlich mein Sohn laut auf: „Papa, deine Angel!“ Ich vollführte noch eine gekonnte Pirouette in Richtung der Rutenablage, da schoß meine Angel an gestraffter Sehne schon auf das offene Wasser hinaus.
Was war passiert? Während ich also die Angel meines Sohnes aus dem Geäst zerrte, hatte sich wahrscheinlich ein Karpfen meinen Köder geschnappt und hat wiederum meine Angel ins Wasser gezerrt. Um die Situation nicht zu vereinfachen, blieb der Fisch mit meiner Angel auch nicht in Reichweite – nein, er zog die Rute schnurstracks auf die gegenüberliegende Seite des Sees und parkte sie dort an der Schilfkante. Meine Versuche, der Flüchtigen mit Hilfe einer anderen Wurfangel wieder habhaft zu werden, schlugen mehrmals fehl. Mittlerweile war mein Sohn von dieser Art Angelei sehr angetan – ich hingegen empfand den Spaßfaktor gering.
Nun hätte es die Möglichkeit gegeben, mich todesmutig in die Fluten zu werfen und der Rute schwimmenderweise zu folgen. Da ich aber schon obenrum naß war, wollte ich wenigstens untenrum trocken bleiben. Also beauftragte ich meinen Sohn mit der Haltung der Stellung, während ich mich aufmachte, den See bis zur Haltestelle der entschwundenen Angelrute zu umlaufen. Gestrüpp, Mücken, Morast und ein alter Stacheldrahtzaun versuchten mich von dieser Rettungsaktion abzuhalten. Selbst ein Reh, welches sich auf dem selben Trampelpfad befand, sah mich mitleidig an. Aber als abgehärteter Vater ist man es sich und seinem Nachkömmling schuldig, so ein Männerabenteuer auch wie ein Mann durchzustehen.
Nachdem ich naß von Regen und Schweiß am Einsatzort eintraf, jubelte mir mein Sohn von der gegenüberliegenden Seite frenetisch entgegen. Da strafft sich jede Vaterbrust – wenn auch nicht lange. Denn mittlerweile stand ich also am Ufer und mußte erkennen, daß meine Angel nicht wirklich in Ufernähe dümpelte. Bis zur besagten Schilfkante mit dem Ziel meiner Aktivitäten waren es noch ca. drei Meter – Wasserweg! Jetzt hätte ich mir eigentlich nur die Gummistiefel und die Hosen ausziehen müssen … aber, wie Sie schon ahnen – ich wollte ja untenrum trocken bleiben.
Da sich aber genau an dieser Stelle der tiefhängende Ast eines Baumes in Richtung meines flüchtigen Angelgerätes erstreckte, hatte ich eine absolut famose Idee. Bewaffnet mit einem Knüppel zur Bergung der Rute, bestieg ich selten blöder Hund diesen morschen Ast, um mich hangelnd und kletternd dem Zielpunkt zu nähern. Hätte ich vorher die Stärke des Astes in Zusammenhang mit meinem Körpergewicht gebracht, wäre die Aktion wohl an dieser Stelle abgebrochen worden. Durch das außer Acht lassen jeglicher physikalischer Überlegungen, blieb mir aber die Schmach des Einsatzabbruches erspart. Wir Männer haben schließlich ein Ehrgefühl – erst recht, wenn gegenüber ein begeistertes Kind mitfiebert.
Also ging es vorsichtigen Trittes weiter. Zentimeter um Zentimeter tastete sich mein gestählter Körper vor. Alle Sinne hellwach und absolut konzentriert – so entging mir auch das leichte Knacken hinter mir nicht. Doch so kurz vor dem Ziel gibt man nicht auf, Rückzug ausgeschlossen. Plötzlich ein lautes Knacken, Rückzug nicht mehr möglich. Der Ast brach und mit einem lauten Klatschen fand ich mich direkt neben meiner Angel wieder. Nun auch untenrum naß. Nachdem mein Sohn sich meines Wohlbefindens versichert hatte, war er nun vollauf begeistert.
Mit quietschenden Gummistiefeln, etwas ramponiert, naß bis zur Brust, ohne Fisch (der hatte sich verflüchtigt) aber mit dem zurückeroberten Corpus Delicti kam ich wieder am Ausgangspunkt an. Hier hatte mein Sohn schon die Klamotten gepackt und war abfahrbereit. Klar, jetzt konnten wir nach Hause. Alle Spaßregister waren gezogen, aufregender konnte es nicht mehr werden.
PS.: Mein Sohn will alsbald möglich wieder mit mir zum Angeln. Na dann, Petri Heil.