Scheinheiligkeit, Selbstgefälligkeit, undurchsichtige Machenschaften und der Mief von schlimmen alten Männern – all das haftet der katholischen Kirche auch im 21. Jahrhundert noch immer an.
Einer Kirche, zu deren zentralen Werten die Nächstenliebe, die Wahrheit, die Gewaltlosigkeit und die Gerechtigkeit gehören, werden die eigenen gepredigten Werte immer wieder zum Verhängnis. Begründete die katholische Kirche in grauer Vorzeit mit blutigen Eroberungsfeldzügen, mit Ablassgeschäften und Landräubereien ihren Reichtum, so besudelt sie sich in heutiger Zeit auch nicht mit Ruhm. Empfängnisverhütung, Abtreibung, Homosexualität und Sterbehilfe sind Reizthemen für mittelalterlich erstarrte Moral. Doch mittlerweile wird selbst im Vatikan von Modernisierung und Erneuerung gesprochen. Ob dazu eine gesunde Selbsteinschätzung oder aber der Zugzwang zur Flucht nach vorn Anlass geben, sei dahingestellt. Fakt ist, die katholische Kirche steht weltweit mehr denn je in der öffentlichen Kritik.
Seit Mitte der 1990er Jahre kommen vermehrt sexuelle Missbrauchsskandale in der römisch-katholischen Kirche an das Tageslicht. Tausendfache sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen an Kindern und Jugendlichen. Fromm anmutende Herdenführer entpuppen sich als pädophile Straftäter. Die Tatorte sind katholische Schulen, Kinderheime, Behindertenanstalten, kirchliche Gymnasien, Internate, Werkstätten, Klöster und Beichtstühle.
Wurde die perverse Nächstenliebe jahrzehntelang von vielen geistlichen Würdenträgern gedeckt, verharmlost, die Anschuldigungen geleugnet, sexueller Missbrauch durch Kleriker ad absurdum erklärt und die Scham und die Angst der Opfer benutzt, um den Deckmantel des Schweigens über Geschehenes auszubreiten, so ist mittlerweile bewiesen und bezeugt – Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, Widerstandsunfähigen und Nonnen sowie Straftaten im Zusammenhang mit Jugend- oder Kinderpornografie gehören zur widerlichen Geschichte der selbsternannten Gottesvertreter – auch in Deutschland.
Durch den jahrelangen öffentlichen Druck sowie das Bekanntwerden alter und neuer Skandale hat die Katholische Deutsche Bischofskonferenz eine Studie (MHG) in Auftrag gegeben. Diese wurde im September 2018 veröffentlicht.
Die Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ wurde vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit Mannheim, dem Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg, dem Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg und der Professur für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Universität Gießen erarbeitet.
Diese belegt, dass mindestens 3.677 Kinder und Jugendliche zwischen 1946 und 2014 Opfer von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche Deutschland geworden sind.
Hierbei handelt es sich aber nur um bekannt gewordene Missbrauchsfälle. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Auch in der evangelischen Kirche häufen sich mittlerweile die Missbrauchsvorwürfe. So sollen bundesweit seit 1950 insgesamt 479 Fälle sexueller Gewalt in der evangelischen Kirche bekannt sein.
Plötzlich herrscht auch bei den vorher schweigsamen Glaubensbrüdern Betroffenheit. Aber hier helfen keine Gedenkgottesdienste und Stoßgebete für die Opfer.
Die kompromisslose Aufarbeitung und eine harte irdische Bestrafung der „frommen“ Verbrecher und der Vertuscher der Taten ist zwingend. Hier richtet kein Gott – hier ist eine weltliche Bestrafung gefordert!