Nein, hier kommt jetzt kein Artikel über die allgegenwärtigen Aufregungen der letzten Tage. Obwohl mir das WM-Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ gut gefällt. Leider gilt dieses Motto nicht für größere Pelztiere, schon gar nicht in Bayern. Das mußte auch Braunbär Bruno erfahren, dessen Kadaver jetzt bald als Touristenattraktion, ausgestopft und in gefährlich aussehende Position gedreht, in irgendein Museum verfrachtet wird. Bayern, Österreich, Italien – noch ist die Anspruchfrage nicht geklärt, doch eines ist sicher: Man war in bayerischen Landen überfordert. Gerade die Bayern, die im Ausland als naturnahes Bergvolk in Lederhosen angesehen werden, die sich mit der Zeckenplage und dem Stoiber rumärgern müssen, gerade die hat es wieder getroffen. Dabei sah am Anfang alles nach Sensation aus. In tiefen Wäldern roch es nach Bärentouristik, nach bärenstarken Vermarktungsstrategien – eben nach einem Haufen Geld.
Der junge Braunbär Bruno, mit bürgerlichem Namen „JJ1“, war aufgetaucht. Er wollte kein deutscher Staatsbürger werden, er verstand sich eher als Grenzpendler. Nachdem Bayerns Umweltminister Schnappauf (CSU) am 18. Mai auf der Tagung der Internationalen Alpenschutzkommission noch erklärte: „Der Braunbär ist in Bayern willkommen“, kippte die Stimmung im bayerischen Ministerium schnell, als sich der Bär an Bienenstöcken vergriff, mit Broilern und übriggebliebenen Osterlämmern seinen Speiseplan aufbesserte. Ein artuntypisches Verhalten wurde ihm diagnostiziert. Auch die fehlende Scheu vor menschlichen Behausungen ließ den Petz nicht gerade als sympathisch erscheinen. Am 22. Mai erklärte Schnappauf dann der Presse: „Der Bär ist zu einem Problembär geworden. Der Bär ist offensichtlich außer Rand und Band“. Die Abschußfreigabe war besiegelt.
Nachdem es aber aus allen Ecken des Landes und der Welt Proteste hagelte, wurde die Abschußfreigabe ausgesetzt und eine Lösung angestrebt, die dem Bären das Leben erhalten hätte. Leider schaffte es auch die finnische Suchstaffel nicht, des Bären habhaft zu werden. Das erneuerte Auftauchen in einer Ortschaft besiegelte dann das Todesurteil. Und jetzt wird es kurios. Der Delinquent, der nicht zu fangen war, ließ sich locker aus 150 Meter über den Haufen schießen. Nein, nicht mit einer Betäubungsspritze. Getreu dem alten Wild-West-Motto „tot oder lebendig“, hatte man sich für die erste Variante entschieden. Aus dem bayerischen Umweltministerium wurde vermeldet: „Der Schutz der Bevölkerung hat oberste Priorität“.
Vollkommen einleuchtend und plausibel.
Ich frage mich trotzdem, ob eine Betäubungsspritze und die Abschiebung in ein sogenanntes Bärengebiet nach Rußland, Kanada oder in die USA nicht die bessere Lösung gewesen wäre. Sicherlich würde das auch wieder Geld kosten. Aber in unserem Land werden so viele Steuergelder für irgendwelchen Blödsinn ausgegeben, daß ein solches Projekt sicherlich eine bessere Investition dargestellt hätte.
In einer Zeit, in der man versucht, überall auf der Welt Artenschutzprogramme durchzusetzen, in der man versucht, Wölfe, Wale, Robben, Tiger, Elefanten usw. zu schützen, empfinde ich den Abschuß als peinlich und als die dümmste aller Lösungen. Der erste Bär, der seit der regionalen Ausrottung vor 170 Jahren wieder aus deutschen Wäldern lugt, bekommt die Kugel.
Der Sprecher des Bundesamtes für Naturschutz in Bonn, Franz Emde, gab sich in einer Stellungnahme selten schlau: „Es wäre besser gewesen, der Bär hätte sich vernünftig verhalten und eingegliedert. Wenn ein normaler Bär sich wieder einmal zu uns verirrt, heißen wir ihn herzlich willkommen“. Wie, eingegliedert? Das hört sich fast so an, als hätte der Herr Emde früher mal in einer Strafvollzugsanstalt Belehrungen für die gestrauchelte Insassen gehalten.
Vielleicht sollte sich das illegal eingereiste Getier ja ab jetzt einer Eignungsprüfung für geduldeten Grenzübertritt mit Gesundheitscheck, Prüfung auf Deutschlandtauglichkeit und geschätzter Touristenattraktivität unterziehen. Das wäre wohl im Sinne der Abschußbefürworter. Mal abgesehen vom deutschen Sicherheitsgefühl wäre auch der Wirtschaftsfaktor nicht unerheblich. Gerade im Frühjahr, wenn die Zugvögel mit ihren grippalen Infekten in unserem Hoheitsgebiet landen wollen, wäre eine Schar von neu eingestellten staatlichen Beamten, Tierärzten, Sachverständigen und Keulern nötig, um diese Eignungsprüfung mit all ihren Facetten abzuwickeln. Das wäre, nach dem Verschwinden der WM-bedingten Arbeitsplätze, doch ein Lichtblick für die poröse Arbeitsmarktsituation. Natürlich müßte, nach dieser Bärentötung, die geneigte Kreatur neu motiviert und angespornt werden, unser Land zu besuchen. Aber der Slogan ist ja schon da. „Die Tierwelt zu Gast bei Freunden“.