Der Herbst ist da und mit ihm greift die kalte Jahreszeit mit feuchtmatschigen Fingern nach uns.
Die nierenfreundlichen „Feinrippschlüppa“ und die kratzigen Rosshaarsocken harren ihrem Einsatz entgegen, die Blätter an den Bäumen haben sich verfärbt und ziehen einen Schlussstrich unter ihr kurzes Dasein. Sie verlassen das Geäst und sinken, einem depressiven Abschiedsgruß gleich, zu Boden. Da liegen sie dann noch eine Weile herum und gammeln vor sich hin.
Sogenannte Zugvögel verlassen unsere Breiten komischerweise gar nicht mit dem Zug, stattdessen fliegen sie einfach in wärmere Gefilde. Fliegevögel also!
Das artverwandte flügelgestutzte Federvieh kann von einem Reißaus nur träumen. Und das auch nicht mehr lange.
Die vorweihnachtliche Ausblutungszeremonie rückt immer näher, der eiskalte Gefriertruhensarg wartet auf geköpfte und gerupfte Insassen.
Vielleicht ist dieses intensive menschliche Schlachtverhalten auch der Grund dafür, dass all das flugfähige Getier, sich hier jetzt aus dem Staub macht!
Die können ja nicht wissen, dass wir im Moment nur flügellahme Kreaturen aus Massen-, aus Käfig- oder bestenfalls aus Freilandhaltung töten.
Ja, in ein paar Wochen ist Weihnachten.
Sie haben richtig gelesen, in sechs Wochen und ein paar Tagen ist schon der sogenannte heilige Abend. Auch Ungläubigen wie mir ist dieser Abend irgendwie heilig.
So halbwegs harmonisch beieinander hocken, etwas Tannenduft, besagtes Geflügel – tot und knusprig, dazu einen anständigen Rotweinrausch – fertig ist die Laube bzw. der Weihnachtsabend.
Wirtschaftlich gesehen sind wir ja jetzt schon längst in der Vorweihnachtszeit. Die Vermarktungsstrategien der Lebensmittel- und Genusswarenindustrie haben den Herbst ja abgeschafft. Dadurch beginnt das kulinarische Jahr hier mit österlichen Schokohasen, geht danach gleich zur vakuumverpackten Grillspezialitätensaison über, worauf sofort die Pfefferkuchenzeit folgt.
Ab September dann Weihnachtsgebäck soweit des Einkäufers Auge reicht.
Das ist nun schon seit 28 Jahren so. Mit dem Verschwinden der DDR überraschte uns die plötzliche Marktwirtschaft mit weihnachtlicher Konsumfülle zur Herbstzeit.
Aber daran sind wir wahrscheinlich selbst schuld. Es könnte ja möglich sein, dass kurz nach der Wende, durch anfängliche Logistikprobleme, die weihnachtstypischen Geschmacksträger verfrüht ins Neuland geliefert wurden.
Als kampferprobter DDR-Bürger hat man dann sicherheitshalber auf Vorrat gekauft und den vorweihnachtlichen Heilsbringern der Schoko- und Backindustrie einen fetten Vorweihnachtsbonus beschert.
Der Herr Ferrero, der Dr. Oetker und die Frau Sarotti mussten dadurch ja den Eindruck gewinnen, dass im Osten das Weihnachtsfest schon im September beginnt. Wäre doch logisch. Oder!?
Aber ich schweife ab. Ich wollte Sie doch nur vorwarnen.
In dreieinhalb Wochen ist der 1. Advent, dann hat es sich gefühlstechnisch komplett ausgeherbstet.
Lassen Sie sich jetzt noch nicht von Stolle, Lebkuchen und Glühwein verführen. Ergötzen Sie sich lieber am goldenen Licht und dem Rascheln der Blätter. Genießen Sie lange Spaziergänge auf matschigem Untergrund und freuen Sie sich auf die ersten Sturmschäden. Es ist Herbst!