Ich bin mir vollkommen bewusst, dass diese Kolumne meine Laufbahn als Schreiberling beenden könnte, dass ein Teil meiner bisher geneigten Leserschaft sich von mir abwenden wird, dass ich an den musikalischen Pranger gestellt werde oder bei Nacht und Nebel dieses Land verlassen muss.
Aber egal, ich muss es einfach mal loswerden. Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte gebe ich öffentlich bekannt – ich hasse deutschen Schlager.
Und genau mit dieser Aussage stemple ich mich im deutschen Schlagerland als Außenseiter ab. Laut einer von der dpa in Auftrag gegebenen Studie, mögen mittlerweile 55 Prozent der Bundesbürger den deutschen Schlager!
Ja, das hat mich geschockt. Über die Hälfte der Bevölkerung hat sich diesen heimtückischen Virus eingefangen. Aber nicht nur die älteren Semester einer rein landwirtschaftlich geprägten Infrastruktur outen sich als Schlagerfans. Nein, diese musikalischen Nebelschwaden wabbern durch jegliche Altersklassen, durch alle sozialen Schichten. Selbst ganz junge Menschen, welche eigentlich ein musikalisches ANTI-Statement abgeben müssten, hören plötzlich Schlager. Unbedarft und ohne die daraus resultierenden Folgen abschätzen zu können, versauen sich diese armen Kinder ihre besten Flegeljahre.
Schuld an diesem Dilemma sind Protagonisten wie Helene Fischer, Andrea Berg, Beatrice Egli, Michael Wendler und der wiedergekehrte Wolfgang Petry. Mit ihren Gesängen stürmen sie die Charts, räumen Musikpreise ab und verkaufen tonnenweise ihre CDs. Die Schlagerbranche boomt – und ich habe Angst.
Nun könnte man ja sagen, wem es nicht gefällt, der muss ja nicht hinhören. Ich will es ja auch nicht hören, aber Schlager ist plötzlich überall. Im Radio, im Fernsehen, in Bars, in Kneipen, in Fußballstadien, auf Skipisten, auf Raststättentoiletten, auf Stadtfesten, in Kaufhäusern, in Großmärkten – und als Handy-Klingelton bei der Dame, die letzte Woche vor mir beim Bäcker stand. Es gibt scheinbar kein Entrinnen!
Und wenn ich mir ausmale, dass durch diesen Erfolg eventuell all die aus der Versenkung emporsteigen, die früher schon mal da waren und die jetzt auch wieder wollen. Michelle, Nicole, Costa, Roberto, Karel, Howard, Bata, Roland, Matthias, Nino, Jürgen, Andi, usw. usw.
Wenn die alle wiederkommen und auch noch überall rumschlagern – was machen ich denn dann?
Dann ist es vorbei mit „Schön ist es auf der Welt zu sein“, dann hetze ich wohl nur noch „Atemlos durch die Nacht“ um dieser „Hölle, Hölle, Hölle“ zu entkommen.