von Jan Knaupp
Ich gebe es offen zu, ich werde von Jahr zu Jahr immer desillusionierter. An meiner ehemals positiven Grundeinstellung hat die Zeit so lange herumgefummelt, bis nicht mehr allzu viel davon übriggeblieben ist. Damit meine ich aber nicht meinen privaten Bereich, der ist zum Glück fest und kraftgebend.
Ich meine eher das ganze Drumherum, ich meine den Rest der Welt. Glaubte ich in jungen Jahren immer daran, dass das Gute irgendwann gewinnen wird, bin ich mir dessen überhaupt nicht mehr sicher. Mittlerweile tendiere ich mental eher in die andere Richtung. Es gibt da so Dinge, hätte man mir die vor ein paar Jahren erzählt, ich hätte sie nicht geglaubt!
Beispiele dafür gibt es leider viel zu viele. Etwa, dass ein Kanzlerkandidat, der im Wahlkampf die Wähler bewusst getäuscht und ganz offensichtlich belogen hat, trotzdem Kanzler wird. Dass eine Partei, der vom Volk ganz klar das Misstrauen ausgesprochen wurde, die die Wähler eigentlich abgewählt hatten, plötzlich wieder ganz oben in der Bundesregierung mitmischt und sogar sieben Ministerposten abgreift, dass Änderungen im Grundgesetz mit einem abgewählten Bundestag durchgesetzt werden, dass der Wählerwille in diesem Land generell so vehement ignoriert wird – hätte man mir das vor ein paar Jahren erzählt, ich hätte es nicht geglaubt! Hätte man mir vor Jahren erzählt, dass wieder eine Zeit kommt, in der staatliche Meldestellen von der Regierung oder von sogenannten „gemeinnützigen“ Organisationen zur Denunzierung Andersdenkender eingerichtet werden, in der der besorgte deutsche Michel ein verdächtiges Verhalten eines vermeintlich politisch unkorrekten Querulanten auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze zur Anzeige bringen kann – ich hätte es nicht geglaubt!
Dass Systemkritiker und Oppositionelle durch staatliche Behörden wieder beobachtet werden, dass Politiker auf satirische Memes und schlechtlaunige Kommentare aus dem Volk mit Polizeiaktionen und Strafverfolgung reagieren, dass unter dem Deckmantel „Kampf gegen Hass und Hetze“ auch versucht wird, kritischen Stimmen den Ton abzudrehen, dass mit undemokratischen Mitteln angeblich die Demokratie verteidigt wird – hätte man mir das vor ein paar Jahren erzählt, ich hätte es nicht geglaubt! Hätte man mir vor Jahren erzählt, dass der Russe plötzlich nicht mehr Freund, sondern Feind ist, dass der Ami wohl auch keine direkte Freundschaftsanfrage mehr beantwortet, dass Kriege und dass Kriegsunterstützungen weltweit wichtiger werden als Waffenruhen und Friedensverhandlungen, dass die Rüstungsindustrie als die erfolgreichste Branche der Zukunft erscheint, dass Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit zum realen Wahnsinn werden – ich hätte es nicht geglaubt!
Ich gebe es offen zu, ich werde von Jahr zu Jahr immer desillusionierter. Von meiner ehemals positiven Grundeinstellung ist nicht mehr allzu viel übrig. Und das scheint in absehbarer Zeit nicht besser zu werden. Mittlerweile kostet eine Kiste mit zwanzig Flaschen meines bevorzugten Getränkes um die 20,- Euro. Hätte man mir das vor ein paar Jahren erzählt, ich hätte es nicht geglaubt.
…ich hätte es nicht geglaubt!
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