Ich war an der Südsee. Und an der Lagune war ich auch. Sie wissen schon, ich war in der verpleiteten Ballonhalle, die jetzt Freizeitoase Numero Uno ist.
Nie wieder! Schuld an diesem Sonntags-Ausflugs-Ausrutscher sind Freunde und unser Sohn. Die Freunde bedachten uns mit Freikarten und die Frucht meiner Lenden war so begeistert von der Aussicht auf einen Tag Badevergnügen, dass es uns als liebende Eltern unmöglich wurde, hier als Spaßbremsen zu fungieren. Also wurde noch eine Freundin unseres Sohnes zum Mitfahren animiert und ab ging es in Richtung Martyrium.
Nun muss ich im Vorfeld gleich betonen, dass ich generell nicht gern dort bin, wo hunderte halb- oder ganz nackte Menschen ihre Körper aneinander reiben, wo Animateure mit schrillen Stimmen und merkwürdigen Bewegungen meine Kreise stören. Warum ich meine Abneigung nicht in Verbindung mit unserem Ausflugsziel brachte, kann ich mir selbst nicht erklären. Fakt ist, wir waren da und haben gelitten.
Bei Ankunft freudig erstaunt, dass hier die Parkplätze alle frei waren, musste ich schnell erkennen, dass ich mich von der Rückfront näherte und der Haupteingang noch nicht in Sicht war. Nachdem dieser dann sichtbar wurde, überkam mich auch gleich eine Welle von Parkplatz-Platzangst. Der Parkplatz vor der Örtlichkeit war brechend voll und mir nach Brechen zumute. Nun gut, wir hatten ja zwei euphorische Kinder dabei, also das Sonntagsgrinsen ins Gesicht geschoben und rein in das Tropenparadies. In der dicken Winterjacke wurde es in der Menschenschlange am Einlassbereich auch ganz schnell kuschelig. Nach ca. zwanzig Minuten Anstehen konnten wir den Weg mit vielen anderen Menschen in Richtung Umkleideschränke beschreiten. Man ließ sich förmlich mittreiben, durfte aber nicht verpassen, bei Erblicken der eigenen Schranknummerierung mit einem gekonnten Haken den Menschenstrom zu verlassen. Außer Atem und mit durchgeschwitztem Leibchen versuchte ich, eine freie Umkleidekabine zu erhaschen, nach ca. fünfzehn Minuten hatte ich dann auch mein Badehöschen an. Jetzt war es endlich soweit, das wonnige Erlebnis konnte beginnen. Der Badespaß im lauwarmen Wasser schien greifbar nah. Das schien aber nur so.
Nachdem mein Blick über ein paar traurige Palmen, über eine brodelnde Menschenmasse und geschätzte acht Millionen Badehandtücher glitt, entglitt mir auch selbiger.
Statt unsere weißen Winterkörper irgendwo abzulagern, mussten wir uns nun erst einmal auf die Suche nach einer freien Liege begeben. Es gab aber keine freien Liegen, es gab auch keinen Platz am sogenannten Sandstrand. Erst die Südseeseite erfolglos hochgelatscht, dann wieder erfolglos runtergelatscht, die Lagunenseite erfolglos hochgelatscht, dann wieder erfolglos runterglatscht. Zwischendurch mit einer japanischen Reisegruppe kollidiert, fast auf einer klebrigen Eiswaffel ausgerutscht, den rechten Badelatsch verloren, durch Eigenschweiß in den Augen kurzzeitig erblindet und durch angeriebenen Fremdschweiß unangenehm berührt – irgendwie wollte kein tropisches Feeling aufkommen.
Doch ich will mich jetzt kurz halten, sonst sprengt diese Kolumne die Zeitungsseite.
Nach einer gefühlten Ewigkeit konnten wir eine Liege ergattern. Da die Kinder sich sofort ins Wasser verabschiedeten, konnten wir nun wenigstens sitzen. Am späteren Nachmittag wurde sogar noch eine Liege frei, dem Tropengott war’s gedankt. Zwischendurch hatten wir aber noch andere Höhepunkte, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. So duschte ich wirklich unbeabsichtigt in den Damenduschen (An dieser Stelle nochmals eine ehrliche Entschuldigung an die erschrockenen ältere Dame mit dem sächsischen Akzent!). Wir versuchten dann in den frühen Nachmittagsstunden etwas kultiviert Nahrung aufzunehmen, leider hatte das asiatische Restaurant unserer Wahl Probleme in der Küche: Wartezeiten nach Bestellung bis zu zwei Stunden (laut Aussage der Kellnerin). Also rutschten wir dann doch in den Fastfoodbereich. Hier wartete man nur eine dreiviertel Stunde, um dann von einem völlig entnervten Servicepersonal einen Burger mit Pommes und Cola kredenzt zu bekommen. Nach diesem unsagbarem Schmaus ging es zurück auf die Liegen. Jetzt wollten wir entspannen, den Stress der vergangenen Stunden vergessen. Die Kinder waren wieder im Wasser, ich lehnte mich zurück, die mitgebrachte Lektüre vor das Gesicht geschoben – da plötzlich erklang laute Musik. Mit gehetztem Blick versuchte ich auszumachen, wer hier auf die Terrorpauke schlug. So ein Mist, wir lagerten direkt vor dem Animationsbereich. Am Rand der Wasserstelle hopste eine auf sportlich getrimmte Tante immer hin und her, im Wasser hopsten begeisterte Menschen mit, meine Synapsen hopsten mittlerweile auch.
Um beim Animateurelend nicht noch bildlich anwesend zu sein, richtete ich meinen genervten Blick nach links. Hier wurde mir auch nicht besser. Da lag ein Pärchen innig aneinander geschmiegt und das Weibchen musste in der Badehose des Männchens irgendetwas verloren haben. Erst schaute sie in seine Hose, dann fühlte sie von außen, dann fühlte sie von innen – dann schaute ich nach rechts. Hier lag meine Mitgefangene mit schmerzerfülltem Blick und bat um Abfahrt.
Nachdem die Kinder eingesammelt waren, wir uns halbwegs in den Alltagsklamotten befanden, kam ich mir vor wie Dr. Kimble auf der Flucht. Leider kam ich nicht weit. Denn bevor wir endlich auf dem von mir nun fast schon geliebten Parkplatz standen, standen wir aber erst einmal fünfundvierzig Minuten am Ausgangsterminal an. Es wurde wieder kuschelig warm.
Für mich steht fest: Nie wieder Südsee! Aber den Kindern hat es gefallen.