Selbst wenn man mit stoßdämpferignorierender Geschwindigkeit über unsere lochfraßgeplagten Straßen ballert, spätestens beim Blick in heimische Vorgärten wird klar – es ostert sehr. Vom Christentum als jährliche Gedächtnisfeier der Kreuzigung und Auferstehung Jesu Christi gedacht, wird Ostern mittlerweile auch von Heiden als ein verlängertes Wochenende geschätzt und durch bunte Plasteeier an Bäumen und Sträuchern herbeigesehnt. Der Hase als Ostersymbol ist seit Alters her überliefert. Warum gerade der Hase zur österlichen Galionsfigur wurde, warum er Wochen vorher hartgekochte Eier bemalen muss und warum er dann die innerlich blau angelaufenen Bunten in die Botanik schmeißt, dafür gibt es bis heute keine endgültige Erklärung. Und wo hat er eigentlich die Eier her? Geld hat er wohl nicht, klaut er die Dinger etwa?
Übrigens, im Schleswig-Holsteinischen Ratekau hat man einen Osterhasen Ende März wohl überführt. Unter dem, wie ich glaube, erfundenen Deckmantel einer Projektwoche zum Thema „Ernährung in der Steinzeit“, wurde der Eierdieb öffentlich vor Schülern einer Gemeinschaftsschule mit einem Hammerschlag hingerichtet. Nach der Tötung wurde das Tier vom störenden Drumherum und Innendrin befreit, auf dem Schulhof gegrillt – und zum Verzehr angeboten. Ob wirklich jemand das Frischfleisch probierte, wurde nicht beobachtet. Die anwesenden Lehrer mussten sich um ohnmächtige, weinende und erbrechende Viert- und Fünfklässler kümmern. Blöd gelaufen für die Schüler, noch blöder für den Hasen.
Aber so kann es gehen. Gerade noch im Dienste der Menschheit und im nächsten Augenblick wird einem das Fell über die Ohren gezogen. Dass in der Lübecker Region auch kleine Delikte hart bestraft werden, scheint sich jetzt aber unter den Hasen herumgesprochen zu haben. Jedenfalls wurden bis dato keine weiteren Eierdiebstähle gemeldet. Es soll aber beobachtet worden sein, wie aufrecht gehende Langohren, mit einem Wanderstab und einem Beutelchen daran, über die Landesgrenze von Schleswig-Holstein flohen. Auf einem Flugblatt, welches anonym bei der dortigen Polizei eingegangen sein soll, steht: „Ihr spickt unsere Rücken, ihr esst unsere Beine – versteckt die Eier doch alleine!“ Als Unterschrift ein kleiner Pfotenabdruck aus Eiermalfarben.
Apropos Eier. Das Ei als solches, gilt als althergebrachtes Symbol des Lebens. Die hier im Brauchtum verwendeten Hartgekochten kann man doch aber nicht als Lebenssymbol bezeichnen. Sie fragen, warum nicht? Schlagen Sie doch mal ein gekochtes Ei in der Mitte auseinander. Stellen Sie dann die beiden Hälften in Eierbechern dicht nebeneinander. Jetzt tröpfeln Sie in das Zentrum jedes halben Eigelb einen Tropfen Worcestersoße. Ist das geschehen, nehmen Sie eine kleine gelbrote Peperonischote und kleben Sie diese zwischen die Eihälften. Ha, damit haben Sie nicht gerechnet – plötzlich schauen Sie in das Antlitz eines ungeborenen Kükens. Dieser anklagende Blick macht jedes Sonntagsfrühstück und erst recht die Nahrungsaufnahme zu den Osterfeiertagen zu einer Gewissensfrage. Hat man sich trotz dieses Horrorszenarios überwunden, mehrere dieser großäugigen Küken zu verspeisen, gerät man in Gefahr eines Cholesterinschocks.
All diese Erkenntnisse werfen neue unbequeme Fragen auf. Können die ungeborenen Küken mit dem Worcesterblick unsere Essgewohnheiten manipulieren? Lenken bunt gefärbte Eier spielerisch vom vorprogrammierten Herzinfarkt ab? Hatte der Holsteiner Kaninchen-Scharfrichter letztendlich doch recht? Geht es dem eierbemalenden Karnickeltier gar um die Ausrottung der Menschheit?
Ich weiß es nicht sicher, aber ich werde auf der Hut sein. Getreu dem Motto: „Nur ein mariniertes Kaninchen ist ein gutes Kaninchen.“
Frohe Ostern!