Letztens habe ich mich mit einer kleinen Couch unterhalten. Nee, ich bin nicht verrückt. Es gibt doch viele Möbelstücke, die Geschichten erzählen. Oft ist es das ganz alte, wurmstichige Inventar, daß uns einen Einblick in vergangene Zeit gewährt. Bei der Couch handelt es sich aber um ein Sitzelement jüngeren Datums. Trotzdem ist diese Geschichte nicht weniger anrührend. Sie handelt von Liebe, Vorfreude, bitterer Entäuschung und regt zum Nachdenken an. Deshalb möchte ich sie Ihnen nicht vorenthalten und übergebe das Wort an meine Gesprächspartnerin.
Guten Tag, liebe Leser.
Ich bin eine traurige kleine Couch und stehe auf der Müllhalde. Zusammen mit meinem Bruder, dem Sessel, und seinem Sohn, dem Hocker, fristen wir hier nun die letzten Tage unseres Daseins. Triefend naß und furchtbar enttäuscht. Dabei war alles ganz anders geplant. Wir kommen aus einem Haushalt, in dem man uns über die Jahre viel Beachtung schenkte. Wir wurden immer gut behandelt und regelmäßig gereinigt. Wir erlebten Geburtstage, Weihnachts- und Osterfeste und das ganz normale Familienleben. Auf uns spielten Kinder, auf uns wurde gesessen, gefeiert, geschlafen und geschmust. Wir hatten ein wirklich schönes Leben. Doch in diesem Jahr kam die Zeit des Abschieds. Durch die Neueinrichtung des Wohnzimmers paßten wir nicht mehr so richtig dazu. Da wir aber noch lange nicht dem alten Eisen zuzurechnen waren, hatten unsere Gasteltern eine tolle Idee. Das Weihnachtsfest sollten wir schon bei einer neuen Familie verbringen. Bei einer Familie, der wir weiterhin viel Freude bereitet hätten. Der Anlaufpunkt für unsere Weitervermittlung war schnell gefunden. Das Diakonische Werk in Beeskow, schien auch sehr erfreut über unser Angebot. Schnell wurde ein Termin für unsere Abholung vereinbart. Nach einer nochmaligen Rückversicherung seitens der Diakonie schien der aufregende Tag unseres Umzuges gekommen. Frisch gereinigt, rausgeputzt und voller Vorfreude auf unser neues Heim warteten wir auf unsere diakonische Mitfahrgelegenheit. Stunde um Stunde verging. Dann vergingen die Tage. Hatte die Diakonie uns vergessen? Dabei war die letzte Terminabsprache doch erst einige Tage her. Warum hatte man uns nicht abgesagt? Wir trösteten uns mit dem Gedanken, daß nur eine Terminverschiebung vorläge und unsere Abholer in den nächsten Tagen vorbeikommen würden. Vorbeigekommen sind sie sicherlich – nur angehalten haben sie leider nicht. Wir warteten zwei Wochen – vergeblich. Und so kam es, wie es nicht hätte kommen müssen. Statt in einem warmen Wohnzimmer zu stehen und dessen Bewohner mit unserer Anwesenheit zu erfreuen, stehen wir jetzt auf der Halde und gammeln vor uns hin. Schade, wenn mit Hilfsangeboten so umgegangen wird.
PS. Ich möchte noch einmal betonen, daß unsere damaligen Eigentümer uns nicht nur über die Diakonie kostenlos entsorgen wollten. Sie waren eher der Meinung, daß wir aufgrund unseres guten Zustandes bestimmt in ein noch nicht voll ausgestattetes Wohnzimmer gepaßt hätten. Doch das ist nun vorbei.
Mit letzten traurigen Grüßen, Ihre kleine Couch.