Kennen Sie das? – Wenn das ­neue Jahr näher rückt, bemäch­tigt sich einem mitunter ein etwas unbestimmtes Gefühl. Aus irgendeinem Grunde sagt man sich angesichts der letzten Blätter, die vom Kalender fallen, dieses und jenes muß im neuen Jahr anders werden. Nein, nicht die alljährlichen „endgültig-das-Rauchen-abgewöhnen“ oder „paar-Pfunde-abnehmen“ oder ähnliche Silvestervorsätze. Aber schließlich hat so ein neues Jahr, solange es noch nicht unwiderruflich von donnernden Blitzkrachern, bodennahen Raketen und unter Sofas heulenden Hunden eingeleutet ist, den Nimbus des Unverdorbenen. Ein weißes Blatt Papier. Die Chance für einen Neuanfang, welcher Art auch immer. Dabei wird völlig übersehen, daß so ein neues Jahr – in Amerika wird es oft als ein kleines Baby mit Windeln dargestellt – auch nur ein direkter Abkömmling des vorigen Jahres ist. Und da ein altes deutsches Sprichwort sagt: „Der Apfel fällt nicht weit vom Pferd“, ist es schon von Neujahr an Essig mit dem unverdorbenen und weißen Blatt Papier. “O tempora – o mores”, sagt der Lateiner: Die Zeiten sind lausig, daran ändert auch ein Kalenderwechsel nichts! Und dennoch. Wider besseren Wissens hat man der Unvernunft nachgegeben und sich etwas für 1997 vorgenommen. Von all den unangenehmen Mitteilungen, die wir fast ununterbrochen entgegennehmen, sollten wir uns keinen Tag mehr versauen lassen, und uns stattdessen der schönen Dinge im Leben erfreuen.
Tolle Sache, nicht? Bloß nicht ganz einfach. Machen Sie sich doch mal den Spaß, und zählen Sie in einer ganz durchschnittlichen Nachrichtensendung die guten und die schlechten Nachichten … – Und? War gar keine gute dabei? Hätte uns auch schwer gewundert!
Neulich machte sich eine freie Mitarbeiterin in der Redaktion Luft: „Es stinkt mich an, daß ich immer so negativ schreibe. Ständig muß ich an allem ‘rummeckern. Kann mir nicht mal jemand was Schönes sagen, über das ich berichten kann?“ Konnte keiner. Aber wir können heute (was so ein Vorsatz alles ausmacht): So erzählte ein Anzeigenkunde, daß er auf Grund seines Inserates in unserer Zeitung, in dem ein Weihnachtsmann mit Wunschzettel ab­gebildet war, einen Anruf von ei­nem kleinen Mädchen erhielt, das seine Geschenkwünsche loswerden wollte. Daß der Weihnachts­mann unter ’Heizung-Sanitär‘ fir­mierte, störte sie überhaupt nicht …
Auch, daß unser Verlagsbriefka­sten in Fürstenwalde, im Gegensatz zum Bürobriefkasten in Beeskow, in diesem Jahr erstmalig Silvester überlebte und nicht vollständig zerblitzknallert wur­de, halten wir für ein schönes Ereignis.
Daß trotz der Winterkälte jeden Morgen die Firmenwagen anspringen und tagtäglich mit uns ihren Dienst versehen, könnte man hoch bewerten.
Noch unglaublicher empfand ich den Beginn dieses Jahres für mich persönlich. Obwohl seit einigen Jahren mir unbekannte Fahrzeugführer es sich zum Ziel gemacht haben, meinen Jahresurlaub durch einen Auffahrunfall zu be­enden, kam ich in diesem Jahr ungeschoren davon. Dank mei­ner lieben Nachbarn war auch zu Hause alles klar. Da das Aquari­um beschlossen hatte, uns auch im neuen Jahr das Wasser zu halten, konnten die Fische darin getrost ihre Bahnen ziehen und auch das Wohnzimmerparkett in seiner angestammten Lage verwei­len. Vielleicht wird dieses Jahr doch nicht ganz so schlecht wie seine Prognosen. Und wenn wir dann alle mal wieder so richtig den „Kanal“ voll haben, könnte es von Nutzen sein, diesen kleinen alltäglichen Freuden ein bißchen mehr Raum zu gewähren.