Seit knapp 20 Jahren ist Arne Christiani ununterbrochen Bürgermeister von Grünheide. Seine Amtszeit läuft noch vier Jahre – bis 2027. Seit zwölf Jahren begleiten den 64-jährigen Vorwürfe, er habe als Inoffizieller Mitarbeiter für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) gearbeitet. Er bestritt nicht nur bei jeder Gelegenheit seine Stasi-Mitarbeit, er verfolgte auch entsprechende Aussagen rigoros. Im Hauke-Verlag gab es im Frühjahr 2022 sogar einen Polizeieinsatz, weil Arne Christiani in einem Leserbrief als IM „Peter Förster“ bezeichnet wurde.
Nun hat ein Gutachten erneut ergeben, dass er jahrelang Freunde und Bekannte an die Staatssicherheit verraten hat – und zwar unter dem von ihm selbst gewählten Decknamen Peter Förster. Er nahm demnach Spitzel-Aufträge an, führte sie zur Zufriedenheit seines Führungsoffiziers aus und berichtete sowohl mündlich als auch handschriftlich über mindestens 27 Menschen. Dem Hauke-Verlag liegt das 16-seitige Gutachten vor.
Es wurde im Auftrag von Thomas Wötzel für die Grünheider Fraktion Bürgerbündnis von einem ausgewiesenen Experten erstellt: Helmut Müller-Enbergs hat seinerzeit an der Überprüfung der brandenburgischen Landtagsabgeordneten auf eine Stasi-Tätigkeit mitgewirkt und 26 Jahre lang als Referent bei der Stasi-Unterlagenbehörde gearbeitet. Müller-Enbergs weiß, wie man solche Akten lesen muss. Aber das ist gar nicht so schwer, denn Arne Christianis Stasi-Tätigkeit wurde nicht nur von seinem Führungsoffizier nach den Treffen mit Christiani akribisch protokolliert – auch die von Christiani selbst verfassten handschriftlichen Berichte über Menschen, die er bespitzelt hat, finden sich in der Akte; teilweise von ihm persönlich unterschrieben.
Aus der Akte geht laut dem Gutachten zweifelsfrei hervor, dass der heutige Bürgermeister sich nicht nur für die Stasi verpflichtet hat, sondern mehr als zwei Dutzend seiner Mitmenschen ausspioniert und seine Erkenntnisse an den Inlandsgeheimdienst der DDR übermittelt hat. All das ist nicht neu, sondern war immer wieder – auch detailliert – Thema. Zuletzt hatten zwei Brandenburger Tageszeitungen am 15. Juni 2022 in einem ganzseitigen Artikel die unappetitlichen Details aus Christianis Stasi-Akte an die Öffentlichkeit gebracht.
Arne Christiani konnte mit Hilfe der Mehrheit der Gemeindevertretung jedoch stets alle Vorwürfe abwehren und sie gegen jene umdrehen, die sie erhoben. Aus dem Gutachten geht nun hervor: Christiani hat zuerst als „Kontaktperson Arne“ und dann als Inoffizieller Mitarbeiter mit dem Decknamen Peter Förster für die Stasi gearbeitet. Er traf sich mit seinem Führungsoffizier immer wieder in der „Arbeiterwohnunterkunft“ (AWU) in der Straße der Befreiung (heute Trebuser Straße) in Fürstenwalde sowie in einer konspirativen Wohnung („Würfel“) in der Spreestadt. Dort berichtete er nicht nur mündlich, sondern übergab auch handschriftlich gefertigte Berichte. Im Gutachten steht: „Ferner machte Herr Arne Christiani dem MfS gegenüber Angaben zu seiner Ehefrau.“
Am 17. Oktober 1987 übergab er im Dienstzimmer seines Führungsoffiziers einen zweiseitigen Bericht über eine Person, die an einer Reise teilgenommen hatte und berichtete detailliert über deren von ihm ausgemachte Schwächen. Er besorgte Wohnanschriften von Zielpersonen und fuhr gezielt zweimal zu einem Grundstück, um zu beobachten, ob die von ihm ausspionierten Personen West-Besuch hatten. Christiani schilderte, dass er nicht erkennen konnte, ob es sich bei dem geparkten West-Auto um einen Mercedes oder BMW handelte, weil das Grundstück nicht ausreichend beleuchtet war (16. Dezember 1987).
Am 9. März 1988 übergab Arne Christiani, der zwar in Dresden geboren wurde, aber in Briesen aufgewachsen ist, eine Liste seiner Freunde und Bekannten aus dem Raum Fürstenwalde/Briesen. Über verschiedene Personen aus seinem Freundeskreis berichtete Arne Christiani noch am selben Tag mündlich. Für die Bespitzelung seiner Bekannten hatte er sich gegenüber dem MfS sogar bereit erklärt, Urlaub zu nehmen. Bei zwei Aufträgen, die er für die Stasi ausführte, nahm er sich jeweils einen halben Tag frei. Die Stasi lobte Arne Christianis Einsatz ausdrücklich: „Er erschien zu den verabredeten Terminen pünktlich und bereitete sich schriftlich und mündlich auf die Kontaktgespräche vor. Er bewies mit dieser Einstellung, dass er bereit und fähig ist, unser Organ inoffiziell zu unterstützen.“
Er arbeitete für den Staatssicherheitsdienst praktisch bis zum Untergang der DDR. Noch am 13. Oktober 1989 unterschrieb der jetzige Bürgermeister von Grünheide „eine vom MfS vorgefertigte Belehrung für den Fall, dass er in der Bundesrepublik Deutschland inhaftiert werden sollte“ (wörtlich zitiert aus dem Gutachten) – im Zusammenhang mit einer geplanten Reise zu einer Zielperson im Westen.
Das Gutachten belegt, dass Arne Christiani über mehr als zehn Jahre hinweg sowohl die Grünheider Gemeindevertreter als auch die Bürger systematisch belog. Dass er die Demokratie als Staatsform ablehnt – daraus machte er keinen Hehl. Im niederländischen Fernsehen erklärte er im August 2021, angesprochen auf die Bürger-Proteste bei der Tesla-Ansiedlung: „Es muss ja nicht heißen, dass ich unbedingt der größte Verfechter von Demokratie bin. Bin ich nicht! Sag ich auch nicht. Nö!“ Der Reporter fragte auf Deutsch noch einmal nach: „Als Bürgermeister nicht?“ Christiani legte nach: „Ich muss nach den Spielregeln spielen, das ist richtig, aber deswegen muss ich ja nicht der Verfechter dieser Methode sein!“
Auch nach dieser Aussage hielt ihn die Mehrheit der Grünheider Gemeindevertretung weiter im Amt; genauso wie nach seinem Eingriff in die Freiheit der Presse, als er Ende 2021 den Geschäftsführer der Docemus Privatschulen gGmbH anrief und ihn aufforderte, seine Anzeigenschaltungen beim Hauke-Verlag sofort zu stoppen. Er begründete das u.a. damit, dass der Hauke-Verlag auch die Grünheider Opposition zu Wort kommen ließe. Christiani warnte den Docemus-Chef: „Das ist nicht gut für Ihren Schulstandort!“ Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) verpflichtete den Bürgermeister in der Folge, bestimmte Äußerungen über den Hauke-Verlag und mich persönlich nicht zu wiederholen.
Zu der Gemeindevertretersitzung, in der Helmut Müller-Enbergs sein Gutachten vorstellte, kamen viele Bürger. Aber einer fehlte: Arne Christiani. Das Bürgerbündnis Grünheide, das gemeinsam mit der AfD die einzige Opposition gegen Christiani darstellt, hielt dazu fest: „Wir werten das Fernbleiben Herrn Christianis von der Sitzung als uneingeschränktes Schuldanerkenntnis. Weder den Gemeindevertretern noch den Bürgern wollte er Rede und Antwort stehen.“
All diese Vorkommnisse lange nach seiner Spitzel-Tätigkeit sagen einiges über das Verständnis des Grünheider Bürgermeisters über Freiheit und Demokratie. Die Stasi-Akte des IM „Peter Förster“ erst recht.
Nachtrag: Der Gutachter beschreibt die Schwierigkeiten, die er hatte, um die Akte aus dem Bundesarchiv zu erhalten: „Eine zügige Bearbeitung war angesichts der wiederholten Befassung des Stasi-Unterlagen-Archivs bzw. Bundesarchivs mit Herrn Arne Christiani zu erwarten, zumal die zu ihm angelegten Unterlagen zum Antragszeitpunkt [05.07.2022] digitalisiert vorlagen.“ Der Gutachter musste jedoch insgesamt ein Jahr warten, bis er die Akte erhielt. Er erhielt sie dann nicht digital, sondern in Papierform. Dem Gutachter wurde seitens des Bundesarchivs und der Stasi-Unterlagenbehörde die Arbeit unnötig erschwert und obendrein stark verzögert. Bestätigt das die Vermutung der Grünheider Opposition, dass viel stärkere Kräfte als nur die Mehrheit der Gemeindevertretung eine schützende Hand über Arne Christiani halten?
Michael Hauke

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