Ja, hier läuft etwas schief – das ist meine ganz persönliche Meinung.
Aber in der heutigen Zeit sind persönliche Meinungen nicht mehr ganz so respektabel, wie noch vor ein paar Jahren. Besonders nicht, wenn sie auch noch etwas kritisch sind. Man läuft schnell in Gefahr, in das politisch korrekte Schubfach für politisch unkorrekte Polarisierer und Polemiker gesteckt zu werden.
Ratsamer ist es daher für Otto Normal, sich irgend einem Bündnis, einer Bewegung oder einer Lobby anzuschließen, um Gehör und Aufmerksamkeit zu erlangen. Mit einer gleichgeschalteten Masse im Rücken, ist auch großer Unsinn plötzlich existentiell und sauwichtig.
Aber unreflektierter Aktionismus ist leider gerade hochmodern. Die steigende Konzentration von Gruppen- und Minderheitenthemen ist allgegenwärtig. Politik und Medien lassen sich nur all zu gern darauf ein.
Beispielsweise die Diskussionen über die neue Geschlechterordnung in Deutschland: männlich, weiblich, divers. Verstehen Sie mich nicht falsch, von mir aus kann jeder machen, was er will, kann sich so geben, wie er sich fühlt. Aber dieses ganze Gedöns, diese medialpolitische Aufregung um dieses Thema geht mir auf die Nerven. Da läuft etwas schief.
Oder aber der Versuch der geschlechtlichen Gleichmachung. Das Ansinnen der Bundesfamilienministerin: „Elternteil 1 und 2“ statt „Vater“ und „Mutter“. Damit soll vermieden werden, dass sich gleichgeschlechtliche Elternpaare diskriminiert fühlen. Was aber, wenn sich jetzt die Mütter und Väter diskriminiert fühlen, die nicht als Elternteil 1/2 benannt werden wollen? Da läuft doch was schief!
Eine Frage zu dem Thema hätte ich dann noch. Wird eigentlich aus unserer „Muttersprache“ eine „Elternteilsprache?
Forderungen wie „Mädchen sollten in Knabenchören auftreten dürfen“ oder Meldungen wie „Hamburger Kita will keine Indianerkostüme, damit sich keiner diskriminiert fühlt“, „Senat plant Urinal für Frauen, weil das Pissoir männlich und damit diskriminierend ist“ und „öffentliche Toiletten sollen künftig eine geschlechtsneutrale Einzelkabine haben“ zeigen mir deutlich, hier läuft etwas schief.
Oder erinnern Sie sich noch an den Frauentag 2018, als die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesfamilienministeriums, Kristin Rose-Möhring, die Änderung des Textes der Nationalhymne anstrebte. Aus „Vaterland“ sollte „Heimatland“ werden, aus der Zeile „brüderlich mit Herz und Hand“ sollte „couragiert mit Herz und Hand“ werden. Alles im Sinne der Gleichberechtigung.
Da ich mit einer Frau verheiratet bin, die noch nie als „Elternteil 1“ bezeichnet werden wollte, die es in ihren Mädchenjahren nicht als Diskriminierung empfand, keinem Knabenchor anzugehören, die sich zum Geburtstag kein Frauenurinal von mir wünscht und die sich durch die traditionelle Form unserer Hymne nicht gedemütigt fühlt, bin ich etwas irritiert!
Und da bin ich dann wieder bei dem unverhältnismäßigen Aktionismus.
Ich finde es auch wirklich gut, wenn sich junge Menschen für den Umweltschutz engagieren, wenn politisches Bewusstsein die Spielkonsolen-Lethargie durchbricht und versucht wird, verkrustete überalterte Denkweisen aufzuweichen.
Wenn aber Klimaaktivisten so über das Ziel hinaus schießen, dass andere Meinungen ignoriert, verteufelt, niedergeschrien oder attackiert werden, geht es für mich in die falsche Richtung.
Natürlich läuft auf dieser Welt vieles aus dem Ruder, ist ungerecht und macht wütend. Wenn dann aber die schwedische Ikone der „Fridays for Future“-Bewegung auf dem UN-Klimagipfel wütend propagiert, dass man ihre Träume und ihre Kindheit gestohlen hat, dann denke ich, sie sollte sich über die 250 Millionen Kinder aus Armuts-, Kriegs- und Krisengebieten informieren, denen mit politischer Gefangenschaft, Kinderarbeit, Zwangsprostitution, Haussklaverei und Rekrutierung als Kindersoldaten wirklich die Kindheit gestohlen wird.
Auch halte ich es für unreflektierten Aktionismus, wenn uns als Mülltrenner, Energiesparlampeneindreher, Hausdämmer, Photovoltaik- und Erdwärmenutzer, Wassersparer, Bewussteinkäufer und Pfanddosenabgeber vorgeworfen wird, wir zerstören mutwillig die Umwelt auf Kosten unserer Kinder.
Natürlich werde ich hier wieder polarisierend, aber ich bin mir fast sicher, dass jeder Freitagsdemonstrant ein Smartphone in der Tasche, Laptop und PlayStation zu Hause hat.
Alles Geräte, deren Herstellung eine negative Auswirkungen auf Mensch, Klima und Natur haben, deren Zulieferteile meist unter Knochenarbeit zu einem Billiglohn hergestellt werden, deren Fertigung und Transport Unmengen an Rohstoffen und Öl benötigt.
Das wir, und besonders die uneinsichtigen Wirtschaftsnationen, sorgsamer mit diesem Planeten umgehen sollten, das steht außer Frage.
Dass blinder Aktionismus und unbedachte Brandreden den guten Ansatz zerstören, aber auch.