So, damit hätte ich nicht gerechnet. Das habe ich nicht gewusst. Aber gegen Unwissenheit gibt es ja alle naselang irgendwelche Umfragen für irgendwelche Studien von irgendwelchen Instituten, die dann herausfinden, was ihrer Meinung nach alle wissen sollten aber keiner wissen will, bzw. keiner glaubt, bzw. keiner glauben will, bzw. die oftmals keinen interessieren.
Doch diesmal ist alles anders, diesmal geht es um uns Brandenburger.
Wie Sie sicherlich schon gehört oder gelesen haben, hat das Meinungsforschungsinstitut Infrates dimap herausgefunden, dass wir Brandenburger von allen Bundesbürgern wohl die Unglücklichsten wären. 1700 Brandenburger wurden befragt, Ergebnistendenz deprimierend. Und als wenn das nicht schon beunruhigend genug wäre, hat die Deutsche Post in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie Allensbach einen angeblich repräsentativen Glücksatlas 2013 veröffentlicht, der bestätigt, dass die Brandenburger den letzten Platz auf der Glücksskala einnehmen. Warum jetzt gerade die Post einen Glücksatlas erstellt, weiß ich nicht. Fakt ist jedenfalls, wir sind jetzt wissenschaftlich erwiesen unglücklich. Sie sind unglücklich, Ihr Nachbar ist unglücklich und ich dann wohl auch. Muss ja so sein, diese Ergebnisse sind schließlich repräsentativ.
Unsere derzeitige Unzufriedenheit basiert nach wissenschaftlichen Untersuchungen auf den allgemeinen Lebensumständen. Wir scheinen laut Umfragen mit allen wichtigen Aspekten des Lebens unzufrieden zu sein. Beziehung, Wohnung, Freizeit, Arbeit, Gesundheit und Einkommen – alles Mist. Außerdem sei Brandenburg besonders von der Alterung der Bevölkerung betroffen – auch Mist.
So oder so ähnlich sagt das jedenfalls die Post, das benannte Meinungsforschungsinstitut, das Allensbacher Institut und die befragten Brandenburger. Ach so, die ARD sagt das auch. Anfang November hat sie die ARD-Glückstrends veröffentlicht, Sie ahnen es schon – die Brandenburger hatten auch hier nichts zu lachen.
Jetzt könnte ich behaupten, dass sogenannte repräsentative Umfragen völliger Quatsch sind. Ich könnte sie als generell zu subjektiv beurteilen. Ich könnte hier schreiben, dass bei dieser Umfrage von rund 2,45 Millionen Brandenburgern nur 1700 Einwohner befragt wurden, dass aus diesem geringen Prozentsatz an Befragten niemals ein negatives Lebensgefühl für alle Brandenburger abgeleitet werden kann. Ich könnte geifern, dass hier mal wieder ein Vorurteil aus dem Boden gestampft wurde, dass die mediale Verbreitung den Brandenburger in ein unzufriedenes und miesepetriges Licht stellt.
Ja, das könnte ich jetzt hier alles schreiben. Mache ich aber nicht!
Warum ich das nicht mache? Na, ich wollte schon immer mal eines meiner Lieblingsgedichte von Heinz Erhardt in eine Kolumne einbauen. Bisher hatte ich nie den richtigen Aufhänger dafür.
Jetzt, wo ich zum unglücklichen Brandenburger abgestempelt bin, passt das zu meinem öffentlich gewordenen Gemütszustand. Na endlich!

Einsamkeit
Einsam irr ich durch die Gassen,
durch den Regen, durch die Nacht.
Warum hast du mich verlassen,
warum hast du das gemacht?
Nichts bleibt mir als mich zu grämen,
gestern sprang ich in den Bach.
Um das Leben mir zu nehmen,
doch der Bach war viel zu flach.

Einsam irr ich durch den Regen,
und ganz feucht ist mein Gesicht.
Nicht allein des Regens wegen,
nein, davon alleine nicht.
Wo bleibt Tod im schwarzen Kleide,
wo bleibt Tod und tötet mich?
Oder besser noch uns beide.
Oder besser, erstmal dich.

Heinz Erhardt